Im Sommer 2013 berichtete ich darüber, dass der im Zuge des Korruptions- und Kickback-Skandals inhaftierte Ex-Schatzmeister des Partido Popular, Luis Barcenas, damit drohte, eine politische Atombombe hochgehen zu lassen. Seinen Worten scheint er nun tatsächlich auch Taten folgen zu lassen  Am Freitag nach rund 19 Monaten gegen eine Kaution von 200.000 Euro aus der Untersuchungshaft entlassen, drohen dessen „nukleare“ Enthüllungen um das Schmiergeld-, Betrugs- und Bestechungsnetz das spanische Establishment aus den Angeln zu heben.

Der seit Juni 2013 in Untersuchungshaft genommene Ex-Schatzmeister des in Spanien regierenden Partido Popular (PP), Luis Barcenas, ist seit Freitag gegen eine Kautionsleistung von 200.000 Euro wieder auf freiem Fuß. Es dauerte nicht lange, bis Barcenas gegenüber Journalisten die Chance ergriff, um im Hinblick auf den Skandal um Kickback-Zahlungen – wie zuvor angekündigt – aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Bislang hatte Spaniens Premierminister Mariano Rajoy Anschuldigungen weit von sich gewiesen, in den Kickback-Skandal seines regierenden PP involviert zu sein. Dies sieht nach den gestern getätigten Aussagen von Barcenas nun jedoch gänzlich anders aus. Damit war ohnehin mehr als zu rechnen. Wir erinnern uns. Innerhalb der Europäischen Union gilt seit einiger Zeit der propagierte Slogan, dass „man lügen muss, wenn es ernst wird“.

Barcenas kündigte bereits vor seiner im Juni 2013 angeordneten Inhaftierung wegen Fluchtgefahr an, die konservative Partei PP und Premierminister Mariano Rajoy „hochgehen zu lassen“, falls die Madrider Staatsanwaltschaft tatsächlich einen Haftbefehl gegen ihn ausstellen sollte. Die Zündung seiner höchst persönlichen Polit-Atombombe habe zum Ziel, Premier Rajoys Regierung zu Fall zu bringen, wie sich Barcenas schon damals ausdrückte. 

Nun, man ist seitens der Regierenden sicher einiges gewohnt, doch der Abhärtungsgrad wächst mit jedem neu an die Öffentlichkeit dringenden Skandal. Rajoy ist unter Europas Staatsmännern ohnehin ein unrühmlicher Sonderfall, wenn man bedenkt, in welcher Weise seine Regierung die desaströse Finanzlage der spanischen Banken noch kurz vor dem Bailout durch die Europäische Union schön geredet hatte.

Monat um Monat verhieß Rajoy den Spaniern den wirtschaftlichen Wiederaufschwung, doch Quartal um Quartal brach die heimische Ökonomie weiter ein. Nach wie vor verharrt die landesweite Arbeitslosenquote bei ungefähr 26%, was sich in den nächsten 5 Jahren selbst laut IWF nicht maßgeblich ändern soll.  Oft stellt man sich die Frage, wie es überhaupt sein kann, dass solche Lügenbarone ihre Ämter immer noch bekleiden.

Als erste Berichte im Januar 2013 über den aufkommenden Korruptionsskandal in Spaniens Medien für Furore sorgten, welche die konservative Partei PP in Bedrängnis brachten, war es natürlich Rajoy, der von nichts gewusst haben wollte und sich die Hände in Unschuld wusch. Doch Barcenas hatte schon kurz nach seinem Haftantritt über einen eigens für Schmiergeld- und Kickbackzahlungen eingerichteten Sonderfonds des PP fabuliert.

Daraus hätten sich hochrangige Funktionäre des PP in den letzten 20 Jahren laut Barcenas´ Aussage hochgradig bestechen lassen. Gegen eingehende „Sonderfondsgelder“ sollen zum Beispiel Baulizenzen oder öffentliche Infrastrukturaufträge an Firmen aus dem Privatsektor vergeben worden sein. Schon vor geraumer Zeit hatte die spanische Tageszeitung El Mundo angekündigt, sich in Besitz von Dokumenten zu befinden, die eindeutig belegten, dass hochrangige PP-Parteimitglieder sich aus eingerichteten „Sonderfonds“ über Jahre haben bestechen lassen.

Diese Dokumente sind dem Obersten Gerichtshof Spaniens bereits übermittelt worden. Aus diesen Dokumenten soll unter anderem auch hervorgehen, dass Premierminister Mariano Rajoy ebenfalls Zuwendungen aus diesen illegal eingerichteten Fonds erhalten habe. Schon aus im Januar 2013 veröffentlichten Dokumenten der Tageszeitung El Pais ging hervor, dass Rajoy Kickbackzahlungen aus der Bauindustrie gegen die Vergabe von Baulizenzen erhalten haben soll.

Bis heute wies Spaniens Premier diese Vorwürfe weit von sich, doch nachdem auch Barcenas nun wie ein Vögelchen zu zwitschern beginnt, dürfte die Luft für Rajoy immer dünner werden. Denn zu sehr verdichtet sich die Beweislage. Wie lange es unter der Bevölkerung noch ruhig bleiben wird, ist eine andere Frage. Der Frust über die eigene Regierung ist nach den letzten Jahren des Sparens, dem Anstieg der offiziellen Arbeitslosenquote auf in der Spitze fast 28% und den jüngsten Korruptionsenthüllungen ohnehin schon vergleichbar mit einem tickenden Pulverfass.

An den Finanzmärkten geht selbstverständlich die Angst um, dass es nach einem Fall Rajoys zu Neuwahlen in Spanien kommen wird. Spätestens dann dürfte es mit dem eingeschlagenen Weg der Austerität vorbei sein. Der gestrige Auswahl der Neuwahlen in Griechenland und der damit verbundene Erdrutschsieg Syrizas weisen die Richtung und zeigen mehr als deutlich, dass eine Mehrheit der Bevölkerung in den Südländern der Eurozone das eigene Polit-Establishment satt zu haben scheint.

Wie es in spanischen Medien heißt, sei Premierminister Mariano Rajoy in der Affäre um Schmiergeldgeldzahlungen und schwarze Kassen seiner konservativen Volkspartei (PP) abermals schwer belastet worden. Es war Barcenas, der am Freitag gegenüber der Presse erklärte, dass Rajoy sehr wohl von Beginn an von der doppelten Buchführung bei der PP gewusst habe. Rajoy habe seit seiner Zeit in der Funktion des für Wahlen zuständigen Sekretärs der Partei (ab dem Jahr 1990) persönlich Umschläge mit Bargeld erhalten, wie Barcenas anfügte.

Die Sonderstaatsanwaltschaft, die mit dem Korruptions- und Kickbackskandal um den PP befasst ist, forderte vor wenigen Tagen 42 Jahre Haft für Luis Barcenas. Zudem sind mehr als 40 weitere hochrangige Parteifunktionäre des PP angeklagt, darunter auch ehemalige Kommunalpolitiker, die des Betrugs, der Beamtenbestechung, der Vetternwirtschaft, der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung angeklagt sind. Im Fall von Barcenas handelt es sich um einen Sonderfall, da dieser etwa 50 Millionen Euro aus diesen „Sonderfonds“ ins Ausland verschoben haben soll und der Staatsanwaltschaft deshalb als Kronzeuge dienen könnte.

Premierminister Rajoy hat nach den öffentlichen Erklärungen von Barcenas erst einmal den Kopf eingezogen. Anstatt der Zurückweisung irgendeiner Schuld ertönt aus seinem Madrider Regierungssitz seit Freitag bislang nur das Schweigen im Walde...

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